21.02.2008

Lasst mich in Ruhe!

Von Bernd König-Weissenberger

Liebe Reeperbahn Prostituierte,

oder hört ihr lieber Kiez-Nutten? Es liegt mir schon lange auf dem Herzen mal einen offenen Brief an euch zu richten, den ihr wahrscheinlich nie lesen werdet. Doch vielleicht bewegt ein spannendes Gedankenpingpong die Welt ja so sehr, dass dieser Schmetterlingsflügelschlag eine kärcherartige Durchschlagskraft besitzt.

Also, was spricht eigentlich dagegen, dass man auf einen Dienstag, abends mit einem Freund, männlich, leicht besoffene Erscheinung, angeregt in einem Gespräch über sagen wir mal Filme von Mario Bava über die Reeperbahn schlendert, OHNE sich einen billigen Fick bei euch abzuholen? Sogar nur auf dem Weg zu Freunden ist, ja Menschen die auf St. Pauli wohnen? Statt dessen stellt ihr jeden männlich aussehenden Menschen (wahrscheinlich sogar Grace Jones) in eurer blinden "Profickgier" (ja hätte man nicht schreiben sollen; nach Abwägung, so blödes Wortspiel dass es rein musste) unter Generalverdacht ein Freier zu sein, so dass ihr wirklich jeden mit euerer penetranten Anbiederung auf Verkehr hin ansprecht. Diese Taktik mag ja das "Geheimnis eures Erfolges" sein, aber meint ihr nicht dass ihr denen gehörig auf den Wecker geht, die eben nicht zum Bumsen gehen? Und ist es nicht so, dass diejenigen, die sich gern auf Geschäftsreise von ihrer Dirndl-Mutti bei einem Exoten-Bums entspannen wollen von alleine zu euch kommen? So schüchtern kann man ja gar nicht sein.

Früher, in alten Filmen, gab es sogar noch die Romantik der schüchternen Absinth-Nutte, die mit einer Rose wedelnd ihren vierlagigen Rock lupfte, um Melonen-Träger ganz verrückt zu machen. Die haben mit Reizen gespielt, ihre Weiblichkeit betont, versteckt – gezielt eingesetzt. Qualität, Abenteuer, Entgrenzung stand im Vordergrund. Sex mit Niveau im gewissen Etablissements? Heute wird man auf der Straße gefragt ob man einer wildfremden Frau (Orginalzitat) "mal ins Gesicht spritzen möchte". Ja hallo? Wo leben wir? Geht es noch billiger?

Vielleicht bin ich ja etwas konservativ bei diesem Thema, aber eigentlich dachte ich, dass es Thema der professionell konservativen, zum Beispiel den regierenden Christdemokraten sein müsste, gegen so etwa zu sein. Gerade der regierende Bürgermeister müsste als Homosexueller von dieser Heteroübermacht auf dem Kiez angewidert Konsequenzen ziehen. Und sowohl die christlichen Werte, als auch die Schwulenehre retten, indem er gegen diese öffentliche zur Schau Stellung von Frauen vorgeht. Wie passt das zusammen? Oder belebt das den Wirtschaftsstandort Hamburg? Da bin ich dann wirklich mal der "Motherfucker des no commerce": Kein Fleischhandel auf Hamburgs Straßen! Damit meine ich nicht, man sollte Prostitution verbieten, von mir aus könnten die das Gewerbe nach dem Prinzip Eros-Center und Herbertstraße weiter führen. Oder ein Fickpalast mit 500 Frauen und Ladyboys in Harburg? Der Süden Hamburgs soll ja attraktiver werden. Da könnte man auch mit einem LKW direkt vorfahren. Mir ist es auf jeden Fall zuwider an der Davidstraße bis in den Burger King-Laden verfolgt zu werden oder von 8 Frauen in Schneeanzügen am Hans-Albers-Platz reihenweise angesprochen und belästigt zu werden. Ist man freundlich und argumentiert, versuchen die ihren "Billo-Charme" in Geld zu wandeln, wird man lauter, werden die aggressiv, im schlimmsten Fall kommt der Hooker.

Da wundere ich mich dann wirklich, dass dieses Problem immer schlimmer wird. Es hat nichts mit dem verruchten Charme der Reeperbahn zu tun, sondern ist einfach nur ein Armutszeugnis für die Stadt. Ich finde auch dass es die visuelle Ästhetik stärker beleidigt als die Tehrerani- Gebäude oder das geplante und verworfene Jeff Coons-Kunstwerk des Senats. Wenn ich wählen dürfte zwischen den vielen Nutten oder der Nutte schlechthin nämlich AC/DC-Rosie, man dürfte sie in ihrer ganzen aufgeblasenen Größe von mir aus auf den Spielbudenplatz stellen oder an Baukräne hängen.

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